Autos isolieren die Menschen voneinander und machen sie aggressiv

stau

Ein weiterer Grund, warum der Automobilwahn das Krebsgeschwür unserer Gesellschaft ist, sind seine sozial-psychologischen Auswirkungen auf den Straßen und in den Köpfen. Im Stau oder in Konfliktsituationen werden Autofahrer aggressiv, es entstehen Hassgefühle gegen Mitmenschen.

Allgemein ist mit dem Autoverkehr auch eine wichtige soziale Funktion des öffentlichen Raums verschwunden: Die Begegnung von fremden Menschen, ihre Kommunikation unter- und das Bewusstsein füreinander. Die Menschen sind im Auto isoliert von sich und ihrer Umwelt.

Isolation

Jeder Autofahrer sitzt in einem geschlossenen gut geschützten Behälter, hört nur seine eigene Musik und bekommt nur so viel von der Umwelt mit, wie es zur Kontrolle des Fahrzeugs im Verkehr nötig ist. Autofahrer hören die anderen Menschen, die Geräusche der Stadt oder der Natur nicht, und würdigen höchstens den Füllstand ihres Aschenbechers. Der Zustand des öffentlichen Raums, die Situation ihrer Mitmenschen wird von ihnen kaum gewürdigt. Das eigene Vorankommen zählt.

Aggression

Jeder Autofahrer kennt das Phänomen sehr gut. Auch Autofreie können es ab und zu beobachten, wenn sie auf der Straße mal wieder von zahllosen Pkw aufgehalten werden, in denen meistens nur eine Person sitzt: Jeder kämpft für sich allein, gut bewaffnet und stark gepanzert. Die Verkehrsteilnehmer wollen fast alle das selbe, nämlich einfach nur einen Weg hinter sich bringen. Da aber der Platz begrenzt ist, und jeder Pkw zum Manövrieren in seiner großen Stahlbüchse mindestens 20 qm Platz benötigt, stehen sie sich gegenseitig im Weg. Als Autofahrer mit der Macht von 100 PS und mehr sind sie es aber gewohnt, hinterm Lenkrad Herr der Lage zu sein. Unter Zeitdruck werden viele in solchen Situation des Kontrollverlustes aggressiv. Ein ziemlich normaler psychologischer Vorgang. Abgesehen davon, dass im Stau ziemlich viel Zeit verloren geht und riesige volkswirtschaftliche Kosten entstehen, dürften solche Stresssituationen die mitmenschliche Solidarität und die Gesundheit auch insgesamt beeinträchtigen.

Analyse und Alternativen

Ende der 90er Jahren bescheinigten Andreas Knie und Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung  dem Auto trotz seiner anerkannten Nachteile eine zunehmende Attraktivität. Die Zersplitterung der Lebensstile, die Individualisierung der Gesellschaft erhöhten die Nachfrage nach schnellen und flexibel verfügbaren Verkehrsmitteln. Nur das Autos könne den Mobilitätsbedarf iin diesem erweiterten individuellen Möglichkeitsraum stillen, weil es einen Eigenraum schaffe und Eigenzeit zur Verfügung stelle. Jeder könne im öffentlichen Raum unabhängig von Fahrplänen unterwegs sein, und habe einen abgeschotteten Raum um sich herum, in dem er seine Ruhe hat.

Auch wenn man dieser Analyse zustimmen mag, weigern wir Autofreie uns, diesen Prozess als unumkehrbar oder gar als richtig anzuerkennen. Zwar können auch Radfahrer aggressiv sein, und eine volle S-Bahn im Hochsommer mit schwitzenden Mitmenschen lässt den Wunsch nach einem klimatisierten Auto verständlich werden.

Aber der Preis des Automobilwahns ist zu hoch. Menschen sollten sich ab und zu begegnen, um ein Bewusstsein füreinander zu haben. Nur so bleibt der gesellschaftliche Kitt erhalten, Vorurteile und Aggressionen können abgebaut werden. Die soziale Kontrolle im öffentlichen Raum, die Sicherheit herstellt, funktioniert auch nicht aus der der Windschutzscheiben-Perspektive. Fußgänger und Radfahrer achten auf ihre Umgebung, Autofahrer wollen nur schnell weiter. Fahrgäste achten in Bussen und Bahnen oder in Bahnhöfen auf die anderen Anwesenden, können Hilfe leisten oder holen. Es ist eine Frage der Verantwortung, die jeder bereit ist zu übernehmen - für die Umwelt und für die Mitmenschen.

Wir könnten unsere Gedanken weiter ausführen. Aber da Bilder mehr sagen als tausend Worte, lassen wir lieber den genialen Comic-Zeichner Andy Singer  "zu Stift" kommen:

Egoismus, Aggression, Vereinzelung

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Zitate

"Ich hör nix mehr, ich sehe immer schlechter. Ich kann praktisch nur mehr Autofahren."

--- Leopold Kohr