Was genau sind autofreie Wohngebiete?

Freiburg _VaubanAutofreies Wohnen bezeichnet ein Wohnangebot, das ...

1. ... sich an Haushalte ohne (eigenes) Auto richtet, mit dem Ziel, für diese Vorteile zu schaffen. (ILS)

2. ... einen nachhaltigen Beitrag zum Umweltschutz leistet und die Volkswirtschaft entlastet.

3. ... kinderfreundlich und damit besonders für Familien mit Kind(ern) attraktiv ist.

4. ... hohe Wohn- und Freiraumqualität bedeutet.

5. ... außer dem unumgänglichen Zugang für Blaulichtfahrzeuge (Rettungsdienste, Feuerwehr, Polizei, siehe § 35 StVO) und berechtigte Ausnahmefälle keinen weiteren Kfz-Verkehr hat.

Gebietstypologien

1.) Typ "autofrei"

  • 0,0 bis 0,2 Stellplätze pro Wohnung, i.d.R. am Quartiersrand, für Car-Sharing-Dienste, Behinderte, Besucher und speziell begründete Ausnahmefälle
  • für Gewerbe ggf. zusätzliche Stellplätze außerhalb dieses Stellplatz-Schlüssels
  • Freiwillig kein individueller Autobesitz und kein privater Autoverkehr im Gebiet
  • Spezielle Regelungen z.B. für Möbelwagen, Behindertentransporte, Taxen, gewerbliche Anlieferungen und vergleichbar notwendige Ausnahmen.
  • I.d.R. rechtliche Regelungen zur Autofreiheit in Kauf-/Mietverträgen, Grundbucheintrag, planungsrechtl. Instrumente, städtebauliche Verträge, etc.
  • z.B. realisiert in:
    Bremen-Neustadt: Grünenstraße
    Hamburg-Barmbek: Saarlandstraße
    Kassel: Unterneustadt / Messeplatz: Christophstraße
    Köln-Nippes: Stellwerk 60
    München-Riem, 1. BA: Caroline-Herschel-Straße
    Münster-Geist: Gartensiedlung Weißenburg
    GB-Edinburgh-Gorgie: Slateford Green
    NL-Amsterdam-Westerpark: GWL-Terrein
    A-Wien-Floridsdorf: Nordmanngasse
    A-Wien-Penzing: Sargfabrik & Miss Sargfabrik

2.) Typ "optisch autofrei"

  • Keine Regulation zu den Stellplätzen, d.h. ortsübliche Anzahl Stellplätze pro Wohnung
  • Lage dieser Stellplätze i.d.R. am Quartiersrand
  • Kein privater Autoverkehr im Gebiet, Ausnahmen nur für Blau- und Gelblichtfahrzeuge (Feuerwehr, Entsorgung, etc.) 
  • Spezielle Regelungen z.B. für Möbelwagen, Behindertentransporte, Taxen, gewerbliche Anlieferungen und vergleichbar notwendige Ausnahmen
  • Ortsübliche Mischung von autofreien und autobesitzenden Haushalten, keine rechtliche Bindung zur Autofreiheit
  • Häufig angewandtes Modell, das von Bauträgern gern "autofrei" genannt wird 
  • I.d.R. keine Kostenersparnis (z.T. sogar teurer)
  • Soziale Vorteile (z.B. Platz f. frei spielende Kinder) 
  • Wenig echte ökologische Effekte, da konventioneller Autobesitz
  • Viele Ökosiedlungen sind optisch autofrei, auch Fußgängerzonen können diesem Typ zugeordnet werden
  • Realisiert z.B. in: 
    Berlin: Woltmannweg-Siedlung, Öko-Siedlung Berliner Straße/Colmarer Weg, Riemanns Hofgarten, Grauwackeweg-Siedlung, Wohnen an der Obstbaumwiese
    Nürnberg: Langwasser P
    Wittenberg: Werksiedlung Piesteritz 

3.) Typ "autoreduziert"

  • 0,3 bis 0,7 Stellplätze pro Wohnung, bevorzugt am Gebietsrand, oft auch im Quartier
  • "Weniger" privater Autoverkehr im Quartier
  • Div. Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, z.B. Geschwindigkeitsbegrenzung
  • Unterdurchschnittlicher Pkw-Besitz. Mischung von autofreien und autobesitzenden Haushalten
  • Anreize zur privaten Autoreduzierung, aber keine rechtliche Bindung zur Autofreiheit
  • Bei diesem Typ gibt es oft Probleme mit den Regelungen und der Vermarktung. Das städtebauliche Konzept allein bewirkt keine bzw. kaum Kostenersparnis.
  • Realisiert z.B. in:
    Berlin-Friedrichshain/-Lichtenberg: Stralauer Halbinsel / Rummelsburger Bucht
    Berlin-Treptow: LEBENS(t)RAUM Johannisthal
    München-Haidhausen: Kolumbusplatz

Auf der nächsten Seite stellen wir den Typ "stellplatzfrei" vor und geben einen Vergleich zu konventionellen Quartieren

Autofreie Wohnprojekte als Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung

Vortrag von Dr.-Ing. Ulrike Reutter auf der Jubiläumstagung - "10 Jahre Autofreie Siedlung" am 19.11.2011 in Münster.

Vortrag herunterladen (Pdf, 700kb)

Interessante Links zum Thema

  •  Autofreies Wohnen

Zitate

"Wenn Sie nach Los Angeles gehen, dann haben sie eine unendliche Freiheit, was die Mobilität betrifft: Sie können zwischen 200 Automarken wählen, sie können sie kaufen, leihen oder leasen. Sie können ein Auto für 11.000 Dollar kaufen oder eines für 200.000 Dollar. Aber es gibt ein Ding, das nicht zur Auswahl steht: öffentlicher Personenverkehr. Das gibt es nicht. Die wichtigsten Dinge für eine freie Gesellschaft sind öffentliche Entscheidungen – und die kann der Markt nicht ersetzen."

--- Benjamin Barber