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Jessica Hofmann (Dortmund) - Meine persönliche „Autofrei-Geschichte" - UNFREIWILLIG FREI!

Jessica HoffmannAutofrei leben? Ich? Unmöglich!!! ...dachte ich.

Unabhängigkeit, Freiheit, mein kleiner „Sperrmüllschätzetransporter", mein persönliches „Ichfahrwohinichwillundwannichwill-Taxi", mein kleiner blauer Freund!

Ok, TÜV, Versicherung, steigende Benzinkosten, Werkstattkosten, waschen-legen-fönen...

Aber das war mir egal – er gehörte mir – nur mir und brachte mich wohin ich wollte. Brauchte ich ihn wirklich? Früher ja, mein Weg zur Arbeit war weit und die Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar.Inzwischen nein, ich bin umgezogen und habe es nicht weit zur Arbeit – aber was man hat, hat man. Und es ist ja auch so bequem mit Auto.

In 10 Minuten zur besten Freundin, in 5 Stunden an die Ostsee – in 16 Stunden nach Frankreich , im Winter einmal deutlich schneller den Berg runter als ich wollte...

Dann war er weg – die Vernunft musste siegen – die Kosten wurden zu hoch. Sollte ich auf alles andere verzichten nur um mir mein Auto noch halbwegs leisten zu können? Das habe ich solange getan bis er fast nichts mehr wert war – solange bis es mehr weh tat ihn am Leben zu erhalten als ihn loszulassen. Als er dann nicht mehr da war, war das hart. Wochenlang dachte ich jeden Tag er stände noch immer da draußen vor der Tür.

Ich abonnierte ein Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt und holte mein verstaubtes Fahrrad aus dem Keller. Am Anfang habe ich es mehr geputzt als benutzt, aber ich war ja auch eine verwöhnte Ex-Autobesitzerin und musste mich an die neue Situation erst gewöhnen.

Ich musste auch erst lernen die 10 minütige U-Bahn-Fahrt zur Arbeit zu nutzen um das Buch weiter in mich einzusaugen, dass ich am Vorabend weglegen musste weil meine Augenlider sich nicht mehr gegen die Erdanziehungskraft wehren konnten. Die Bahn verpasst? Haha, ich schaffe noch ein Kapitel mehr!

Endlich hatte ich auch mal wieder Lust meine Nähmaschine zu benutzen. Muss ja nicht jeder wissen was ich da lese, und gut geschützt hält mein Buch länger. Auch bei Freunden kamen meine selbstgenähten Buchhüllen gut an. Hab das gleich genutzt und noch einige Taschen aufgepeppt... das hat auch gleich für mehr Gesprächsstoff in der Bahn gesorgt.

Wenn ich mal kein Buch dabei hatte, bin ich einfach mal eine Station zu Fuß gelaufen statt zu stehen und zu warten. Dabei habe ich endlich mal wieder ein paar Schaufenster in Ruhe betrachtet oder jemand bekanntes getroffen.

Dann kam ich eben etwas später Zuhause an – na und? Dafür war ich aber auch wesentlich entspannter! Ich bin überhaupt viel entspannter geworden. Losrennen um die Bahn die in einer Minute kommt noch zu erreichen? Ohne mich! Lieber die Zeit besser nutzen bis zur nächsten.

Ich frage mich gerade ob ich mir in der Vergangenheit je Gedanken darüber gemacht habe wie viel Zeit ich dabei verplempert habe Parkplätze zu suchen, Reifen zu wechseln, mein Auto zu waschen oder Samstags in der Schlange vor der Autowaschanlage zu hocken wenn ich mal keine Lust hatte das selber zu tun. Scheibenwischanlagenreiniger nachfüllen, TÜV-termin nicht versäumen, Ölwechsel, Insektenentferner aufsprühen..., vereiste Scheiben frei kratzen, 10 Minuten den Motor laufen lassen bis die Scheiben nicht mehr beschlagen sind ...., Politur auftragen und bis zur Erschöpfung für Hochglanz sorgen...

Und täglich 4 Sitze spazieren fahren von denen meistens nur einer besetzt war – der Fahrersitz!

Und mal ehrlich? Ich erreiche eigentlich alle meine Lieblingsziele auch auf anderem Wege.

Und ob ich im Winter 10 Minuten auf den Bus warte oder im Auto warte bis die Scheiben frei sind.... Und die Heizung war eh erst warm wenn ich angekommen bin und sie nicht mehr brauchte.

Zur Not gibt es immer die Möglichkeit sich ein Fahrzeug mit jemandem zu teilen. Wieder einmal mehr habe ich gelernt wie toll es ist gute Freunde zu haben – und dass ich nicht alles alleine schaffen muss!

Es geht tatsächlich Autofrei, und wenn ich mir die Benzinkosten heute ansehe und die Diskussionen darüber verfolge, erwische ich mich dabei, wie ich etwas schmunzeln muss. Schadenfroh, ich?

Nein, aber FREI !!!

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Jessica Hoffmann

Zitate

"Im Laufe seine Lebens berappt der durchschnittliche Deutsche, beachtliche 312.000 Euro für Anschaffung und Unterhalt seines Autos. Der Sprit, über dessen Preis geradezu religiöse Auseinandersetzungen geführt werden, kostet bloß ein Fünftel dieser Summe."

--- Christoph Chorherr

Preise

Die besten Beiträge, die wir veröffentlichen, werden mit Sachpreisen rund ums autofreie Leben prämiiert. Unter anderem hat uns die Fa. Ortlieb Sportartikel , die wasserdichte Outdoor-Ausrüstung herstellt, zwei ORTLIEB Jubiläums-Radtaschen für diesen Zweck gespendet. Wir bedanken uns herzlich und freuen uns darauf, die Taschen an den oder die erfolgreiche/n Autor/in übergeben zu können.

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