Blech

coverIn diesem satirischen Krimi geht es um Autos und deren Allgegenwärtigkeit in unserer Gesellschaft. Zunächst sind die Fronten klar: Auf der einen Seite die Beißer (hergeleitet von "Bicycle"), eine Gruppe von Fahrradkurieren, die das Auto leidenschaftlich hassen und bekriegen. Auf der anderen Seite die "Blechsklaven" und deren schlimmster Vertreter Danny Speck, der Chef der Autokuriere, dessen Hybridautos nur im Verbrennungsmodus fahren und nun auch durch die Fußgängerzonen fahren dürfen. Man schnappt sich gegenseitig die Aufträge weg und stellt einander Fallen.

Die Beißer sind eine Gruppe von zwanzig Personen, die sich aus der Gesellschaft abgesondert haben. Sie sind fixiert auf ihren heiligen Krieg gegen das Auto ("Tod dem Blech!"). Zitat: "Das Blech ist nicht nur deswegen böse, weil es uns mit seinem Gestank, mit seinem Lärm und seiner Geschwindigkeit, die es zur tödlichen Waffe macht, umbringt, sondern auch weil es unseren Kopf vergiftet. Mit dem Einstieg ins Blech bist du schon in einer virtuellen Welt, die mit der natürlichen Welt nicht mehr viel zu tun hat. Das Leben rauscht an dir so irreal vorbei wie die Sträucher, die du beim Fahren auf der Autobahn beim Blick aus dem Seitenfenster siehst. [...] Und das Blech macht die Menschen zu Sklaven, denn sie sind abhängig vom Blech, können sich ohne das Blech kaum noch fortbewegen." Die Beißer haben ihre eigene Sprache entwickelt und pflegen keinen Umgang mit einem Menschen, der "mehr als 50% todbringende Fortbewegungsmittel benutzt". Sie drängen ihre Freunde und den Vermieter dazu, ein Bewegungsprotokoll zu führen, um diese sogenannte Beißer-Quote zu ermitteln, die für sie den Wert eines Menschen misst.Ihr Kampf schließt Vandalismus mit ein. Unter anderem bewachen sie nachts ein Naturschutzgebiet und wenn sie dort ein Auto vorfinden, zerkratzen sie sein Blech oder schlagen seine Scheibe mit einem Stein ein. Auch Autos, die auf Radwegen parken, werden zerkratzt ("tätowiert").

Doch eines Tages werden die moralischen Grenzen überschritten: Hei(nz) findet im Naturschutzgebiet ein Auto, das mit Schaufensterpuppen besetzt ist und Specks Radiowerbung dudelt. Kurzerhand lässt Hei das Auto in den Rhein rollen. Später findet man im Kofferraum des versunkenen Wracks eine Frauenleiche. Nun stellen sich zwei Fragen: "Wer hat die Falle aufgestellt?" und "War die Frau schon tot, bevor das Auto versank?" Bei ihren Recherchen finden Hei und seine Freunde nicht nur die Antworten auf diese beiden Fragen. Gleichzeitig eskaliert die Gewalt. Autos brennen reihenweise oder werden von einem mysteriösen Kampfwagen zerstört. Die Fahrradkuriere verlieren ihre besten Kunden.

Für seine Nachforschungen muss Hei in die Welt der Autos ("Bleche") einsteigen. Er fährt als Beifahrer mit, betritt das Foyer eines Musicals in dem personifizierte Autos mitspielen, und er besucht sogar eine Sitzung der "Anonymen Autopathen". Dadurch weichen sich Fronten auf. Wertvolle Tipps stammen von "Judas", einem ehemaligen Fahrradkurier, der nach einem schweren Unfall Taxifahrer wurde. Hei findet heraus, dass Blechsklaven unter ihrer Abhängigkeit leiden und Danny Speck ein sensibler Typ ist. Doch wenn Danny die Frau nicht ermordet hat - wer dann? Wer es war, verrate ich natürlich nicht. Wie es sich in einem gut gemachten Krimi gehört, kommt die Antwort überraschend, aber eben nicht völlig unerwartet.

Dieses Buch ist ein sauber konstruierter Krimi mit gekonnt geführter, sich steigernder Spannung. Allerdings ist die Verbohrtheit der Beißer schmerzhaft zu lesen. Für das Autoproblem muss es doch noch andere Lösungen geben als Vandlismus! Obwohl auch der Roman am Ende zu diesem Schluss kommt, schlägt er selbst keine konstruktive Lösung vor. Wer aber einen gut gemachten Krimi und ätzende Gesellschafts-Satire in einem lesen möchte, dem empfehle ich dieses Buch.

(Rezensiert von Andrea Herrmann)

Bert van Radau: Blech
Edition Octopus, 2011
Taschenbuch, 186 Seiten
ISBN 978-3-86991-367-4
11,50€  

Zitate

"Radfahrer werden vom Autostrom bedrängt. Autos nehmen ihnen die Vorfahrt, schneiden sie beim Rechtsabbiegen und lassen sie über unbedacht geöffnete Autotüren stürzen.[...]Wohlstand verdrängt die Zweiräder aus dem Straßenbild, aber doch nicht so schnell, wie es im Interesse der Verkehrssicherheit auf den Straßen wünschenswert wäre.[...]Fahrräder [...] gehören nicht in den Großstadtverkehr,[...]"

--------- Artikel in der ZEIT von 1969!